Buchtipp: “Was wir gewinnen wenn wir verzichten” von Christian Firus

Heute stelle ich euch ein Buch vor, das ich im Herbst gelesen habe und das angesichts dessen, was wir in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt haben, aktueller nicht sein könnte.

Ich möchte diese Buchvorstellung mit einem Gedicht des Lyrikers und Autors Josef Guggenmos (1922-2003) beginnen, das relativ zu Beginn dieses Buches zitiert wird:

Was ist der Löwe von Beruf?
Löwe ist er, Löwe!
Der Fuchs ist Fuchs, das ist genug.
Möwe ist die Möwe.

Was ist der Mensch? Fabrikarbeiter,
Schüler, Chefarzt, Fahrer.
Was Du auch seist - im Hauptberuf
sei MENSCH, ein ganzer, wahrer!*

In diesem Buch geht es um das Weglassen, darum dass weniger mehr ist. Aber das ist lange nicht alles. Christian Firus schreibt darüber was uns als Mensch ausmacht, er schreibt über das wirklich Wesentliche im Leben, Authentizität sowie grundlegende Werte und wie wir uns darauf besinnen könen.

Als Arzt weiß er nur zu gut, dass viele Krankheiten stressbedingt sind. Und Stress ist im Endeffekt ein permanentes “zu viel”. Die meisten von uns befinden sich in einem Hamsterrad aus dem sie alleine nicht mehr hinaus finden. Die täglichen, kleinen Entscheidungen die wir treffen, zu hinterfragen, mag eine große Rolle dabei spielen, aus diesem Hamsterrad herauszufinden. Der Autor baut darauf auf, dass jede Entscheidung für eine Sache gleichzeitig eine Entscheidung für den Verzicht einer anderen Sache ist. Und genau diese Entscheidungen sind von Bedeutung.

Thematisch geht es unter anderem um die Entscheidung für den Verzicht auf materielle Dinge, den Verzicht darauf, jedem gefallen zu wollen und den Verzicht auf ständigen Vergleich und Selbstoptimierung. Im zweiten Teil beschreibt der Autor wie dieses Weniger aussehen kann und was es uns in der Praxis bringt.
Auch die Covid-19-Pandemie findet in dieser 2. Auflage kurz Erwähnung und die beschriebene Sichtweise, ist eine äußerst bereichernde.

Ein sehr hilfreiches, wertvolles und praxisnahes Hilfsmittel sind die Fragestellungen an den Leser/die Leserin persönlich, die Christian Firus am Ende jedes Kapitels und teilweise auch zwischendurch einbindet. Diese Fragen helfen, das eigene Leben bzw. die eigenen Entscheidungen zu überprüfen und zu hinterfragen.

Christian Firus schreibt gut verständlich, in einem sympathischen Stil, etwas pointiert und sehr praxisnahe. Das Buch wird durch viele Zitate, Geschichten und Berichte über Patienten des Autors aufgelockert und ist nur so gespickt von Impulsen die sich gut in den Alltag integrieren lassen.

Sehr angenehm empfand ich, dass nicht in jeder Zeile explizit von Verzicht, Weglassen, etc. gesprochen wurde, sodass man am Ende etwas übersättigt ist von dieser Thematik, wie das bei sehr vielen - auch sehr guten - Fachbüchern der Fall ist. Das Thema Verzicht ist lediglich der rote Faden auf dem viele Themen aufgebaut werden. Das Buch kommt ohne ständige Wiederholungen aus, die um die eigentliche Aussage herumkreisen.

Besonders spannend ist es, wie viele Lebensbereiche Christian Firus in diesen “nur” 156 Seiten umfassenden Buch bespricht und wie tiefgehend ein so kurzes Werk sein kann. Das Motto “weniger ist mehr” ist auch hier bestens umgesetzt. Diese 156 Seiten sind so voller wertvollem Inhalt, dass ihr am Ende das Gefühl haben werdet, mehrere hundert Seiten gelesen zu haben.

Vom Umfang her mag man denken, dies sei ein kleines Buch für zwischendurch. Was den Inhalt betrifft, ist es eines dieser Bücher, die man so schnell nicht mehr vergisst und in dem man immer wieder gerne blättert.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Buch keine Ode an die Askese ist, sondern eine realistischer Leitfaden dafür, sich in einer Gesellschaft zurechtzufinden, in der es viel zu oft darum geht, noch mehr zu haben, noch mehr zu sein und noch mehr zu geben.

Zum Autor:

Dr. med. Christian Firus ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Traumatherapie. Er ist Oberarzt in der Rehaklinik Glotterbad bei Freiburg (D). Seine Schwerpunkte sind die Behandlung von Depressionen, Burnout und Traumafolgestörung sowie die Förderung seelischer Gesundheit.
www.christian-firus.de

Links:

Verlag: https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/was-wir-gewinnen-wenn-wir-verzichten-011253.html

Leseprobe: https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/media/pdf/978-3-8436-1253-1.pdf


* aus “Oh, Verzeihung, sagte die Ameise” von Josef Guggenmos, Verlagsgruppe Beltz 2018, 312 Seiten, ISBN 978-3-407-75431-8

Bitte beachte auch folgenden wichtigen Hinweis.

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