Warum Loslassen Freiheit bedeutet und was uns die Natur dazu lehrt

In meinem letzten Blogbeitrag zum Thema Akzeptanz habe ich begonnen, auch über das Thema “loslassen” zu schreiben. Jedoch wäre dies zu viel für einen Beitrag geworden und ich denke, es ist gut, dieser Thematik einen eigenen Beitrag zu widmen.

Die Qualität des Loslassen-Könnens ist untrennbar mit der Fähigkeit zur Akzeptanz verbunden. Diese beiden gehen sozusagen Hand in Hand.

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Akzeptanz hilft uns, klar zu sehen, dass es Dinge gibt, die wir nicht ändern können. Doch was können wir tun, damit uns diese Ereignisse nicht unser restliches Leben lang verfolgen und zur Last werden? An belastenden Situationen festzuhalten hat nämlich einen hohen Preis: unsere Zufriedenheit, unsere Freiheit und unsere Gesundheit.

Trotz bester Bemühungen ist das Leben nicht perfekt und es häuft sich im Laufe der Jahre allerhand emotionaler Ballast an. Jede:r von uns ist auf die eine oder andere Art und Weise damit konfrontiert. Sei es, dass wir emotionale Verletzungen erlitten haben, Enttäuschungen erleben, traumatische Erfahrungen machen oder mit dem Tod geliebter Angehöriger oder uns nahe stehender Menschen zurecht kommen müssen. Diese Aufzählung lässt sich natürlich fortsetzen.

Wir durchleben die unterschiedlichste Palette an Gefühlen: Wut, Trauer, Verzweiflung, Angst, um nur einige zu nennen. Für die Verarbeitung ist es ganz wichtig, diese Gefühle zuzulassen und ihnen den Raum zu geben den sie benötigen.

Doch irgendwann - der Zeitpunkt ist sehr individuell - wird sich das Gefühl einstellen, dass wir nicht mehr in diesen Emotionen verweilen möchten. Wir möchten nicht mehr, dass unsere Gedanken darum kreisen, warum uns dies oder jenes widerfahren ist. Wir möchten uns nicht mehr fragen warum das Leben so ungerecht ist oder warum es genau uns erwischt hat, warum wir nicht anders/besser reagiert haben, etc. Wir erkennen, dass wir uns mit derartigen Gedanken im Kreis drehen und nicht weiterkommen. Wir möchten uns aus der Gefangenschaft dieser belastenden Emotionen befreien.

Genau hier ist der Punkt an dem der Prozess des Loslassens einsetzt.

Was bedeutet es, loszulassen?

Loszulassen heißt, uns dafür zu entscheiden, unseren Blick nach vorne zu richten. Unsere Zukunft zu sehen und nicht die belastende Vergangenheit. Wenn wir loslassen, beenden wir den Kampf gegen die Ereignisse der Vergangenheit, die wir ohnehin nicht ändern können. Wir akzeptieren sie als das was sie sind und integrieren das Jetzt in unser Leben. Wir sehen uns um, nehmen die neuen Gegebenheiten wahr und beginnen, unser Leben innerhalb dieser neuen Gegebenheiten zu gestalten.

Loslassen mag vielleicht im Kopf beginnen weil es eine bewusste Entscheidung ist, doch es ist ein zutiefst körperlicher Prozess der uns wieder aufrecht stehen, klar sehen und vor allem wieder durchatmen lässt.

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Dieser Prozess des Loslassens geht nicht von heute auf morgen. Auch hier dürfen wir uns die Zeit geben, die wir dafür brauchen. Vielleicht benötigen wir dafür therapeutische Hilfe. Es ist gut und wichtig, uns die Unterstützung zu ermöglichen, die wir benötigen.

Loslassen ist nichts, das man in der Schule lernt. Es ist meistens auch kein Wert, den wir in unserer Kindheit von Eltern vermittelt bekommen. Es ist notwendig, uns Zeit zu geben und keinesfalls Druck auf uns selbst auszuüben. Sei geduldig mit dir selbst. Ein Prozess hat Hoch’s und Tief’s, mal geht es besser voran, mal hast du das Gefühl es tut sich gerade nicht so viel. Nimm an was kommt, ohne den Prozess beschleunigen zu wollen. Verbissenheit bringt dich nicht schneller als Ziel, im Gegenteil.
An dieser Stelle fallen mir einige Zeilen ein, den ich vor kurzem in einem Buch gelesen habe*:

“Meister, Meister, wie lange brauche ich bis zur Erleuchtung?”
”Nun, vielleicht zwanzig Jahre.”
”Und wenn ich mich wirklich sehr anstrenge?”
”Dann vierzig Jahre.”



Heute habe ich einen Praxis-Tipp der etwas anderen Art: Geh’ raus in die Natur und nimm sie dir zum Vorbild!

Das für mich beste Vorbild an Loslassen ist die Natur. Vor allem jetzt im Herbst. Die Natur lässt die Fülle des Sommers los um ohne Last durch den Winter zu kommen und im nächsten Frühling wieder in voller Pracht zu erstrahlen. Sieh dir die Bäume bewusst an. Sie verkrampfen sich nicht, um irgendeinen letzten Rest ihres wunderschönen Blattwerks festzuhalten. Sie trauern ihrer Pracht des Sommers nicht hinterher. Der Sommer ist vergangen. Das Jetzt - die Realität der Stunde - trägt den Namen Herbst. Und ist der Herbst nicht auf seine Art wunderschön? Dieses Jetzt, der Herbst, legt die Grundlage dafür, dass wir im nächsten Frühling wieder die wunderschöne Blütenpracht bewundern dürfen. Ohne das Loslassen der Natur im Herbst gäbe es im nächsten Jahr kein frisches Grün, keine bunte Blütenpracht, keine Früchte, keine Ernte und im Endeffekt keine gesunden Pflanzen.

Atme tief durch und versuche mit jedem Ausatmen ein Stück deines Ballastes abzuwerfen, gleich wie die Bäume die Blätter abwerfen. Beobachte, dass der Baum nicht alle Blätter an einem Tag abwirft. Ein Blatt nach dem anderen, jedes zu seiner Zeit. Sei auch du geduldig mit dir.
Genauso wie die Natur darauf vertraut, dass der nächste Frühling bestimmt kommt, so vertraue auch du darauf, dass dir dein loslassen dabei hilft wieder neue Freiheit, neue Chancen und neue Perspektiven zu erhalten.

Der Frühling ist ein Geschenk des Herbstes.

Einatmen ist ein Geschenk des Ausatmens.

Freiheit ist ein Geschenk des Loslassens.


* Was wir gewinnen, wenn wir verzichten, Christian Firus, Patmos Verlag (2020)

Bitte beachte diesen wichtigen Hinweis.

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Buchtipp: “Was wir gewinnen wenn wir verzichten” von Christian Firus

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